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Der Trainings-Weltmeister
Karl Geiger aus Oberstdorf bringt es in Lahti wegen einer Grippe bisher auf neun Probe- und null Wettkampfsprünge. Doch der 24-Jährige hat noch ein großes Ziel
Karl Geiger macht aus seiner Enttäuschung keinen Hehl. Und er redet nicht um den heißen Brei herum. Auf die Frage, wie er seine erste Weltmeisterschaft denn bisher erlebte, benutzt der 24-jährige Oberstdorfer sogar das Wort mit den Anfangsbuchstaben S, C und H. Und „schön“ war es nicht ... Nachdem er mit einer gehörigen Portion Groll davon erzählt, dass er sich schon am allerersten WM-Tag in Lahti mit einem Virusinfekt herumplagen musste und mehrere Tage außer Gefecht war, richtet Geiger seinen Blick doch noch nach vorn. Nach einem „ultrabitteren Beginn“ hoffe er jetzt noch auf einen versöhnlichen Abschluss. Kein Gedanke mehr an „Grippe, Kopfweh, Halsweh – und den ganzen Mist halt“, der ihn in der ersten Woche ans Hotelbett fesselte. Auch sechs Trainingssprünge, drei von der kleinen und drei von der großen Schanze, habe er mittlerweile abgehakt. „Wenn du dich nicht wohlfühlst, kommt hinten auch nichts G’scheit’s raus“, sagt Geiger. Lediglich die drei Sprünge am vorgestrigen Dienstag bezeichnet er als einigermaßen normal. Er taste sich langsam aber sicher wieder an seine Normalform heran.
Aber was ist normal? Geiger bestach in diesem Winter im Weltcup mit fünf Top-Ten-Plätzen und reiste als viertbester deutscher Springer nach Finnland – hinter Andreas Wellinger, Markus Eisenbichler und Richard Freitag. Die Springen im koreanischen Pyeongchang als WM-Generalprobe hätten ihm enorm viel Selbstvertrauen gegeben. Aber dann kam der erste Tag in Lahti, an dem es ihn ziemlich unvermittelt „niedergestreckt“ habe. Mittlerweile haben die deutschen Teamärzte um Florian Porzig (Fischen) den Allgäuer in der DSV-Fliegerstaffel wieder fit bekommen. „Leicht erkältet“, sei er zwar noch, aber das störe beim Springen nicht. Geigers ganzer Fokus ist nun auf das Training heute und ein internes Ausscheidungsspringen am Freitag mit dem Willinger Stephan Leyhe (25) gerichtet. Bundestrainer Werner Schuster habe ihm die Chance auf den finalen WM-Einsatz am Samstag beim Teamspringen in Aussicht gestellt. Und Geiger geht das teaminterne Duell mit großer Zuversicht an: „Wenn es technisch passt, kann ich der Mannschaft sicher mit meinen Sprüngen helfen“. Ohne den Namen Leyhe zu erwähnen, sagt Geiger selbstbewusst: „Das kann ich auch.“ Seine Rolle im Team sieht Geiger unkritisch: „Auch wenn ich jetzt das fünfte Rad am Wagen bin, habe ich das mit meiner Krankheit mit mir ausgemacht. Seit ich wieder dabei bin, versuche ich gute Laune zu verbreiten.“
Text: Thomas Weiß | Allgäuer Anzeigeblatt 02.03.2017