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Kommt Rydzek aus dem Hintergrund?
Vor dem Giganten-Duell steht fest: Beim Springen von der Großschanze hat Eric Frenzel deutliche Vorteile. Warum der Allgäuer trotzdem sein drittes Gold holen kann
Es ist das Duell der Giganten. Weltcup-Führender gegen Verfolger, Vierfach-Weltmeister gegen Vierfach-Weltmeister. Wenn es zum dritten Wettkampf der Nordisch-Kombinierer bei der WM in Lahti geht, sind alle Augen auf die beiden Dauerrivalen Johannes Rydzek (25) und Eric Frenzel (28) gerichtet. Wir stellen die beiden gegenüber und wagen die Prognose, dass der Oberstdorfer Rydzek wie schon im Wettbewerb von der Normalschanze die Nase vorn haben und sein drittes WM-Gold gewinnen wird – diesmal allerdings hauchdünn im Zielsprint.
Bisherige Erfolge Frenzel liegt, was die Medaillenausbeute bei Großereignissen angeht, klar vor Rydzek – noch. Von Olympischen Spielen brachte der Sachse einen kompletten Medaillensatz mit nach Hause, Rydzek (Silber und Bronze in Sotschi) muss auf den Titel Olympiasieger noch mindestens ein Jahr warten. Mit elfmal Edelmetall (4 x Gold, 5 x Silber und 2 x Bronze) hat Frenzel auch zwei WM-Medaillen mehr als Rydzek (4/4/1) im Schrank hängen. Im Weltcup holt der Oberstdorfer ebenfalls erst langsam auf: 38 Siege stehen 14 gegenüber, in der aktuellen Saison-Gesamtwertung liegt aber Rydzek vorn.
Die Stärken „Johannes hat eine unglaubliche Körpersprache in der Loipe“, lobt Rydzeks langjähriger Trainer Andreas Bauer (jetzt Coach bei den deutschen Skispringerinnen). Das zeuge von einem „unheimlich großen Selbstvertrauen“ seines Ex-Schützlings. Den Spagat zwischen Ausdauer und Schnellkraft bekommt kaum einer so hin wie Rydzek. Sein Widersacher Frenzel ist auch dank seines Körperbaus der bessere Skispringer. „Das könnte vor allem auf der Großschanze ein Vorteil sein“, glaubt Bauer. In Sachen Renntaktik sind beide ausgefuchste Hasen. Im Zielsprint könnte Kraftpaket Rydzek die entscheidende Schuhlänge vorn sein.
Die Schwächen Rydzek hat kaum mehr welche. Früher war er extrem impulsiv, geriet vor allem nach Niederlagen aus der Fassung. „Heute lasse ich das nicht mehr so an mich ran und hake Rückschläge viel schneller ab“, sagt Rydzek. Höchstens seine Ungeduld könnte ihm ein Schnippchen schlagen. Frenzel hat relativ lange Beine, dafür einen kurzen Oberkörper.
Deshalb tut er sich schwer, auf der Schanze die optimale Anfahrtshocke zu finden. Er muss viel Gymnastik machen, um beweglich zu bleiben. Das kostet wertvolle Trainingszeit.
Auf der Strecke kennen beide keine Freunde, es könnte auch passieren, dass sie sich gegenseitig zu Fall bringen – knapp war es schon oft genug. Trotzdem betonen beide, nach dem Rennen beste Kumpels zu sein. „Wir verstehen uns gut, sehen unser Duell nur sportlich“, sagt Frenzel. Er kennt dafür auch die Spielregeln: „Alles muss offen passieren, keiner sollte versuchen, individuelle Vorteile einzuheimsen.“ Rydzek ist da gleicher Meinung: „Wir wissen, wann der Wettkampf vorbei ist. Unser Duell überträgt sich nicht ins Private“, sagt er, „bei uns geht es ehrlich zu, da ist nichts aufgesetzt.“
Text: Thomas Weiß | Allgäuer Zeitung 01.03.2017